Review: Kottarashky – Opa Hey!

(13.11.09 / Asphalt Tango Records)

Also, was weiss ich über Bulgarien? Ich muss gestehen, nicht viel und wahrscheinlich wird es vielen anderen genau so ergehen wir mir. Darum zu Beginn etwas Informationen über das Land am Schwarzen Meer.
Hauptstadt: Sofia; Staatsform: Republik; Amtssprache: Bulgarisch; Amtierender Präsident: Georgi Parwanow; Amtierender Ministerpräsident: Bojko Borissow; Fläche: 110.994 km²; Einwohnerzahl: 7.606.551 (Dezember 2008); BIP/Einwohner: 6.856 US$ (Schweiz 67.385 US$); Währung: Lew; Unabhängigkeit vom Osmanischen Reich: 1878 (anerkannt 1908); Nationalhymne: Mila rodino (‚Meine Heimat’); Zeitzone: UTC +2; Autokennzeichen: BG; Internet-TLD: .bg; Telephonvorwahl: +359

Ok, was weiss ich über bulgarische Musik? Ab hier wird es ganz dünn.
Das Bulgarien vor allem mit klassischer und Chor-Musik gesegnet ist (und hier durchaus Weltruhm erreicht), konnte ich noch aus tiefster Vergangenheit hervorkramen. Bei elektronischer Musik besteht aber ein weisser Fleck auf der Landkarte. Nada … nix!

Seit Bands und Projekten wie Gotan Project, 1 Giant Leap, Thievery Corporation, Talvin Singh uvm. hat zwar der World/TripHop/Elektro-Mix einen rasanten Aufschwung erlebt. Die Ingredienzen stammten aber vorwiegend aus südlicheren oder weiter östlichen Gefilden und nur äusserst selten aus dem Balkan. Der Eine oder Andere mag durch Filmen von Emir Kusturica Kontakt zu eben dieser Musik gehabt haben, oder Bands wie Apparatschik oder den Sampler Electric Gypsyland kennen. Weitgehend bleibt uns diese Musik meist fremd. In dieser Hinsicht stellt sich das Label Asphalt Tango Records als wahre Fundgrube heraus. Diese haben sich explizit auf Zigeunermusik und Musik aus dem Balkan spezialisiert. Reinhören ist auf der Label-Homepage übrigens bestens möglich.

Doch selbst da stellt sich Kottarashky noch als Exot heraus. Er macht nicht nur einfach elektronische Musik, er verwebt sie sehr stark mit klassischen Audio-Schnipseln aus seiner Heimat. Die zur CD mitgelieferte Kurzbeschreibung trifft die Sache eigentlich ganz gut:
“Kottarashky ist ein digitaler Soundpuzzler, der an seinem Rechner alte Feldaufnahmen vom Balkan, klassischen Jazz und Blues, psychedelische Sounds, Club Beats und Romaweisen seziert, um all dies dann zu einem eigenwilligen, packenden Groove zusammensetzt”.

Was mir vor allem gut gefallen hat, ist der Umstand, dass sich Elektronik und Beats dezent im Hintergrund halten und Akkordeon, Oboe, Trompete, Flöten, Gesang und vielen (z.T. traditionell anmutenden) Instrumenten höflich den Vortritt lassen. Einzelne Stücke müssten meines Erachtens nicht unbedingt am Rechner entstanden sein. Viele Lieder besitzen einen gewissen “Live”-Charakter. Der stark repetitive, manchmal fast monotone Aufbau der Stücke, lässt zudem eine ganz eigene Stimmung entstehen. Durch die wie eingeworfenen Sprachschnipsel erhält das ganze eine äusserst exotisch anmutende Atmosphäre, der manchmal fast etwas tranceähnliches anhaftet.

Viele Stücke wie “Chetiri” , “Opa Hey“, “Lele” und ansatzweise “Blatoto” sind meiner Meinung nach sehr nahe bei traditioneller Musik aus dem Balkan angesiedelt (Kenner mögen mein begrenztes Wissen gerne erweitern). Über treibende Rhythmen wird in Serie eine rechte Bandbreite von klassischen Instrumenten abgefeuert. Der Elektroniker tritt aber noch nicht zwangsläufig in Erscheinung.
Bei Stücken wie “Tebe” , “Tempe“, “Mandra“, “Long Song” und “Mynamar” schieben sich dann langsam Trip-Hop Elemente nach vorne. Die elektronische und beattechnische Aufarbeitung des Materials wird nun hörbarer. Klare Grenzen sind aber auch hier eher schwer zu ziehen. Die Übergänge sind und bleiben fliessend.

Im Song “September” werden nicht nur Brücken zwischen den Musik-Stilen, sondern auch zwischen den Sprachen geschlagen. Die erste Hälfte des Stückes mutet wie eine atmosphärische Jazz-Ballade an, die später durch einen dezenten Beat an Fahrt aufnimmt. Zu den gewohnten Gypsy-Sprachschnipseln gesellen sich dann noch einzelne spanische  Phrasen.

Wie der Titel “I want you to Sleep” schon andeutet wird hier das Tempo heruntergefahren. Müdigkeit kommt jedoch keine auf, man wird nur ganz leicht eingelullt und gemütlich in den letzten Track der CD “Bell” entlassen. Hierbei handelt es sich wieder um einen, in “Anführungszeichen” klassischeren Trip-Hop Track. Zumindest was den Beat betrifft gehen wir auf bekannten Pfaden, ohne aber den traditionellen Bezug zum Rest der CD zu verlieren. Der Balkan ist und bleibt präsent.

Ich muss gestehen, dass mir diese Review bis zu einem gewissen Grad Schwierigkeiten bereitet hat. Auf der einen Seite finde ich die Kombination von klassischen und neuen Elementen äusserst spannend und auch äusserst gelungen. Hier wurde mit viel Akribie und Respekt gearbeitet. Es wurden nicht einfach irgendwelche Audio-Schnipsel über einen 08.15 Beat ausgekippt, sondern den klassischen Elementen viel Raum zugestanden, so dass diese ihre Wirkung  entfalten konnten.
Genau hier liegt aber auch das Problem. Teilweise war ich von den Klanggebilden überfordert, da diese manchmal doch recht weit weg von meinen mitteleuropäischen Hörgewohnheiten waren. Diese Musik verlangt eine gewisse Präsenz beim Hören, da sie als Hintergrundmusik doch eher irritierend sein kann. Das stark repetitive Moment trägt das seinige dazu bei. In diesem Fall kann ich nur empfehlen, in die CD reinzuhören und sich sein eigenes Urteil zu bilden (Label-Homepage und MySpace können hier helfen, siehe unten). Eine Bereicherung und Erweiterung der musikalischen Landschaft ist Opa Hey! aber auf jeden Fall.

(twintip)

Reinhören:
http://www.asphalt-tango.de
http://www.myspace.com/kottarashky


Tracks:

  1. Chetiri
  2. Opa Hey
  3. Tempe
  4. Tebe
  5. Mandra
  6. Long Song
  7. Lele
  8. Blatoto
  9. September
  10. Myanmar
  11. I want you to Sleep
  12. Bell

Rating: ★★★★★★★☆☆☆

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One response so far, want to say something?

  1. Review: Kottarashky and the Rain Dogs – Demoni « Release « www.out-of-space.ch – schweizer portal für trip-hop und elektronische musik says:

    [...] einen Mitteleuropäer manchmal verquer wirkenden Soundschnipsel wie sie auf der Vorgängerplatte Opa Hey! häufig vorkommen, erhalten. Zusammen mit dem Groove-Potential der Rain Dogs entsteht hier eine [...]

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