An diesem Samstag war es soweit, Morcheeba traten mit ihrer “alten” Sängerin Skye Edwards am Blue Balls Festival im KKL Luzern auf. Vor dem KKL herrschte an diesem warmen Sommerabend eine sehr gemütliche Stimmung; nachdem man sich bei den zahlreichen Food- und Getränkeständen bediente hatte es im Vorhof zahlreiche Sitzgelegenheiten, bei denen man Gratiskonzerten lauschen und sich auf einen Abend voller Musik einstimmen konnte.
Der eigentliche Konzertsaal war für mich unerwartet klein; es passten schätzungsweise gerade mal 600 Leute rein. Die Beleuchtung war mit ca. 30 Farblampen und 6 Lasern schlicht gehalten, die Akustik war gut.
Vor Morcheeba trat Newton Faulkner (www.myspace.com/newtonfaulkner) auf. Mit seiner Akustik-Gitarre und seiner sanften, hingebungsvollen Stimme eröffnete er zuerst mit Liedern, welche perfekt zu einem Abend an einem Strandfeuer passen würden. Es überraschte, als als er im Anschluss ankündigte, “Teardrop” von Massive Attack zu covern, was ihm erstaunlich gut gelang, indem er seine Gitarre zusätzlich als Trommel gebrauchte und seine obere Hand einsetzte, um die Saiten zu zupfen. Von da an griff Newton immer tiefer in seine Trickkiste und machte unter anderem von seinen Fusspedalen gebrauch, um seine Lieder durch Kickdrums, Streichinstrumente oder Bass-Synthesizer zu ergänzen. Rein akustische Loops wollte er der Transparenz und Authentizität halber nicht verwenden, weshalb er zeitgleich zu diesen Musik-Schleifen Videoaufnahmen von sich selbst auf eine Leinwand projizierte. Dadurch sah es so aus, als würde er von eigenen Klonen musikalisch begleitet werden. Seine sehr authentische, gemütliche und lustige Art fiel immer wieder auf, sei es in dem er Anekdoten zu einzelnen Stücken preisgab, oder indem er sich bei einem Stück ganz von der digitalen Technik abkehrte und eine Endlosschlaufe einer Tonband-Kassette begleitete (“I’m bringing back the tape!”).
Nach einer längeren Umbaupause kam schliesslich Morcheeba auf die Bühne. Skye erschien in einem roten Abendkleid und so hohen Absatzschuhen, dass sie ihre Zweifel äusserte, den Abend ohne Sturz zu überstehen. Ross Godfrey stand mit seiner elektrischen Gitarre zu ihrer linken, gleich dahinter spielte Andy Nunn in seinem sehr authentischen Bob Ross Look an den Keys. Das Trio wurde durch Mister Six am den Turntables, Andy Robertson am Schlagzeug und Steve Gordon an der Bassgitarre ergänzt.
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Setlist:
- “Moog Island” (Who Can You Trust?)
- “Friction” (Big Calm)
- “Otherwise” (Charango)
- “Never An Easy Way” (Who Can You Trust)?
- “Even Though” (Blood Like Lemonade)
- “The Sea” (Big Calm)
- “Blood Like Lemonade” (Blood Like Lemonade)
- “Part Of The Process” (Big Calm)
- “Slow Down” (Charango)
- “Crimson” (Blood Like Lemonade)
- “Trigger Hippie” (Who Can You Trust?)
- “Beat Of The Drum” (Blood Like Lemonade)
- “Blindfold” (Big Calm)
- (Zugabe) “Be Yourself” (Fragments of Freedom)
- (Zugabe) “Rome Wasn’t Built in a Day” (Fragments of Freedom)
Es war auffallend, dass keine Stücke von Alben gespielt wurden, bei denen andere Sänger Skye ersetzten (“The Antidote” oder “Dive Deep“). Es wurde stattdessen auf die altbekannten Klassiker sowie das neue Album “Blood Like Lemonade” gesetzt. Sämtliche Stücke wurden praktisch 1:1 wie auf den CDs gespielt bzw. gesungen, wobei sich einzig der Gitarrist Ross künstlerische Freiheiten nahm, was unter anderem in ein paar gekonnten Solo-Einlagen (etwa bei “Crimson“) mündete. Im Kontakt zum Publikum war Ross der aktivste. So gratulierte er den Schweizern zu ihrem WM-Sieg gegen Spanien oder machte sich über die an dem Tag allgegenwärtige Luftfahrtshow über Luzern lustig (“They’re practicing avoiding the enemy.”). Wie oft zuvor ging’s nicht ohne ein paar Anspielungen an ihren Lebensstil mit “Are there any hippies here tonight?” oder “We wrote it [this song] while we were high on mushrooms” (Song: “Never An Easy Way“). Nebst Ross interagierte praktisch nur noch Skye mit dem Publikum. Meistens versuchte sie, dieses zum Mitsingen zu bewegen. Die Refrains von Morcheeba haben ja einen hohen Wiedererkennungswert, und da dies beim Publikum gut ankam wurde das auch reichlich ausgekostet, was meine “Refrain-Toleranz” jedoch des öfteren sprengte. An einem Punkt wurde versucht, die Frauen und Männer separat mitsingen zu lassen. Als bei einem vollen Saal nur gerade mal eine handvoll Männer (der Autor eingeschlossen!) einstimmte und dann ganz überrascht und gehemmt verstummte meinte Ross daraufhin schmunzelnd, er sei inzwischen in jedem europäischen Land zweimal aufgetreten, aber so was hätte er noch nie erlebt.
Ich hatte den Eindruck, dass die alten Lieder am besten wirkten, so sang etwa bei “The Sea” erstmals der ganze Saal mit, und spätestens als “Part of the Process” gespielt wurde war das Konzert in vollem Schwung. Wie gesagt schien jedoch ein Grossteil des Effektes auf dem Bekanntheitsgrad und den Refrains zu beruhen. Auch die neueren Stücke wurden grösstenteils in alter Manier gehalten. Die Band schien mir von den Instrumenten her relativ statisch; Bassist, Drummer und der Mann an den Keys waren sehr unauffällig. Wie beschrieben brachte Ross mit seiner Gitarre etwas Farbe rein. Skye sang ihre Texte sehr souverän mit ihrer tiefen, runden, ruhigen und etwas lasziven Stimme, nach einigen Liedern fand ich das aber relativ eintönig und ich hätte mir etwas mehr Abwechslung gewünscht. Ihre Stimme erhob sie einzig beim neuen, etwas ABBA-esquen Stück “Beat Of The Drum“, was eine willkommene Veränderung war und womit Skye zeigte, dass sie auch problemlos sehr kraftvolle Gesangseinlagen hinlegen könnte.
Bereits während des Konzerts habe ich mich immer wieder ernsthaft gefragt ob man Morcheeba wirklich auch nur annähernd als Trip Hop bezeichnen kann, obwohl diese Band immer wieder als Beispiel für dieses Genre genannt wird. Vielleicht war diese Band ein etwas zu starker Kontrast zu meinem vorherigen Konzertbesuch von Archive, aber mich störte, dass praktisch alle vorgetragenen Stücke sehr harmonisch, fröhlich, leicht, entspannt, und insgesamt wenig experimentierfreudig waren. Für mich fehlte die Tiefe in der Vielfalt wie auch im Ausdruck, welcher für meine Vorstellung von Trip Hop, einfach auch etwas schweres, düsteres oder gar depressives haben müsste. Es gab zwei Stücke, die eine Spur dunkler als der Rest waren, und mir entsprechend besser gefielen, so etwa “Crimson” oder auch, in geringerem Ausmass, “Beat of the Drum“.
Am Ende des Konzertes war das Publikum in bester Stimmung und verlangte Zugaben. Diese wurden mit Klassikern wie “Be Yourself” und “Rome Wasn’t Built in a Day” gewährt und bildeten einen schönen Abschluss zum Konzert.
(Bericht: Daniel Sutter / Photos: Beat Kienholz)
http://www.blueballs.ch