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Review: Murcof

 Cosmos

(17.09.07 / The Leaf Label)  

In seinem neuesten Album erklärt uns Murcof mit den Instrumenten eines klassischen Orchesters und den Mitteln der elektronischen Musik den Kosmos. Es lebe das mexikanische Raumfahrtprogramm!

Das Label

Wie von den Blättern, die sich langsam über die Trottoirs Europas ausbreiten, inspiriert, veröffentlicht das für aussergewöhnliche Musik bekannte Leaf Label innerhalb kurzer Zeit gleich zwei Perlen der elektronischen Musik: Neben dem neuesten Album der dänischen Postrocker von Efterklang veröffentlicht das britische Label am 17. September die dritte CD des Mexikaners Fernando Corona, der vor allem unter dem Namen Murcof bekannt ist. Zudem steht mit Caribous neuestes Werk ein Release eines ehemaligen Mitglieds der Leaf-Familie an.

Verglichen mit Caribous Andorra, welches den Sommer ausklingen lässt, und Efterklang, deren Cover den interessierten Musikhörer in herbstlicher Farbigkeit entgegenfunkelt, fällt die Dunkelheit von Murcofs Cosmos auf, welche sich zuerst über das dunkle, einen NASA-Simulator abbildende Cover manifestiert.

Das Album

Diese Finsternis der CD-Gestaltung, auch die CD selbst ist schwarz, vermag den in der spanischen Sprache ein bisschen bewandten Musikliebhaber aber kaum zu erstaunen, widmet sich Murcof in seinem neuesten Werk doch der Astronomie und dem Weltall. Jeder der Titel ist diesem Thema untergeordnet und so kann man auf der Rückseite der CD-Hülle die Namen Cuerpo Celeste (Himmelskörper), Cielo (Himmel), Cosmos, Pt. 1 und 2 (Kosmos), Cometa (Komet) und Oort (ein niederländischer Astronom) finden. Wie bereits bei seinen letzten beiden Alben lässt der Mexikaner alle seine Songtitel, mit Ausnahme des letzten, mit dem Anfangsbuchstaben des Albumtitels beginnen, in diesem Falle dem "C".

Die Absicht das Weltall abzubilden beschränkt sich aber nicht nur auf formale Dinge, sondern wird auch in der Musik konsequent umgesetzt. Da die Stücke alle ohne Gesang und, bis auf Cometa, sogar ohne menschliche Stimme auskommen, müssen Gegenstände wie zum Beispiel der Himmelskörper alleine mit musikalischen Mitteln erzeugt werden. Cosmos erinnert deshalb an Werke wie Vivaldis Die vier Jahreszeiten oder Holsts The Planets, wobei natürlich letzteres aufgrund der Thematik näher liegt.

Dieses Konzept gibt dem Hörer auch schon einen ersten Hinweis darauf, wie die CD am besten konsumiert werden sollte. Da der Kosmos Raum zur Entfaltung benötigt, wird der Hörer einiges an Wucht verpassen, wenn er Murcofs Werk an belebten Orten oder in zu leiser Lautstärke abzuspielen gedenkt.

Erzeugt wurde Murcofs Kosmos fast nur mit Aufnahmen von klassischen Instrumenten, was von Corona auf seiner Homepage als "expanding the possibilities of acoustic instruments through electronics" beschrieben wird. So dürfte die Scheibe auch den Kennern der alten CDs etwas Neues zu bieten haben.

Die Tracks

Die Reise in die Tiefen des Alls beginnt mit dem gut neunminütigen Cuerpo Celeste. In diesem ohne Rhythmus auskommenden Stück taucht der Hörer zuerst in eine Stille ein, nur in der Ferne kann ein Grollen vernommen werden. Diese Stille wird nur ab und zu von melancholischen Streicher-Melodien und tiefen Tönen durchbrochen. Man spürt richtiggehend wie man alleine dem dunklen Himmelszelt entgegen blickt. Gegen Ende kann vermehrt eine helle Orgel vernommen werden und mit kurzen hohen Melodien, welche mit einem Rauschen unterlegt sind, zeichnet Murcof Sterne vor das geistige Auge des Betrachters. Langsam, ohne dass dem Hörer die relativ lange Spieldauer von knapp zehn Minuten bewusst wurde, klingt das erste Stück aus und geht in Track Nummer zwei über.

Dieser, Cielo mit Namen, kündigt sich mit radarartigen Geräuschen an. Langsam bildet sich mit dem Hinzukommen von immer neuen Tönen ein Beat und im Hintergrund können sphärische Geräusche vernommen werden. Dieser Track ist wohl der zugänglichste und erinnert entfernt an den Ambient-Sound, den uns A Guy Called Gerald auf To All Things What They Need präsentierte - nur mit Science-Fiction-Anstrich.

Mit Cosmos, Pt. 1 folgt der dunkelste Song des Albums, was angesichts des Themas auch nicht erstaunlich ist. Langsam breitet sich die Finsternis über den Hörer aus, dunkle Töne, wie sie aus Davis Lynchs Filmen bekannt sind, durchdringen den Körper. Einsamkeit breitet sich aus und der Alien-Spruch "in space no one can hear you scream" kommt einem in den Sinn, allerdings scheinen Ausserirdische und sonstige Gefahren weit weg, nur der Kosmos liegt allgegenwärtig vor dem Hörer. Diverse Instrumente werden wie Galaxien und Nebel eingespielt. Nach einem intensiven Höhepunkt verflüchtigt sich der Song langsam.

Der vierte Track beginnt und vereinigt diverse hohe Töne zu einem sich intensivierenden Rhythmus: Der Komet kommt! Nach einer kurzen Stille wird eine liebliche Melodie eingespielt, wozu der Beat sich auf seiner Bahn weiter bewegt. Vor dem Auge des Hörers erscheint der Schweif. Doch auch diese Schönheit geht langsam vorbei und eine Geige verbreitet einen Hauch Melancholie.

Mit den letzten Tönen, die den vorbeiziehenden Kometen begleiten, tönt Cosmos, Pt. 2 an. Langsam verdichtet sich die Spannung. Dieses Stück erscheint weniger dunkler als der erste Cosmos-Teil, es macht sich die Faszination eines Astonomen im Angesicht des schier unendlichen Alls breit. Immer weiter taucht der Hörer in die Weiten des Kosmos ein und wird überwältigt. Ein idealer Vorgänger für den Track Oort, der dem Wissenschaftler gewidmet ist, der mit einen Ursprung der langperiodischen Kometen postulierte.

Dieses letzte Stück, welches mit gut 12 Minuten Spiellänge auch am meisten Zeit für sich beansprucht, beginnt recht verhalten, wird aber immer wieder von verstörenden Momenten durchzogen und bietet mit diversen Stimmungsalgen so etwas wie die Zusammenfassung des bisher gehörten.

Fazit

Der Autor dieser Rezension konnte beim Hören dieser Platte das Weltall richtiggehend vor sich sehen, so klar und faszinierend, wie dies vorher noch kein Kunstwerk bei ihm geschafft hatte. Er wurde berührt von den meisterhaft zusammengestellten Stücken von Murcof. Ob Coronas liebevoll gestaltete, teils bedrückende, teils melancholische, aber immer Murcofs Faszination für das Subjekt spürbare Darstellung des Kosmos andere Personen auch so sehr zu ergreifen vermag, ist wohl nicht abzuschätzen. Dieses Meisterwerk hat es aber sicher verdient, dass man ihm die Möglichkeit gibt sich zu entfalten. Mit einem dreiminütigen Probehören auf myspace mit schlechten Kopfhörern wird man ihm sicher nicht gerecht.

(as)

Live erleben kann man Murcof am 26. Oktober, wo er am Shift Festival in Basel auftritt. Näheres gibt es wie immer in unserer Agenda.

 


Tracks:
  1. Cuerpo Celeste
  2. Cielo
  3. Cosmos, Pt. 1
  4. Cometa
  5. Cosmos, Pt. 2
  6. Oort
Bewertung (info):



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Kommentar von tut nix zur sache am 23.10.2007
Fantastische Platte!!!

tut nix zur sache's Bewertung von Cosmos:

Kommentar von Jacques am 31.10.2007
"Fantastische Platte!!!" Genau. Mittlerweile würde ich wohl auch 10 Sterne vergeben, sie verliert auch mit der Zeit nicht an Klasse.

Jacques's Bewertung von Cosmos:

Kommentar von Zdzislaw am 06.10.2008
Zeitlose Musik .Etwas einzigartiges - Großes Kino,Musik und Kunst.Muss jedes Herz mal gehört haben.

Zdzislaw's Bewertung von Cosmos:



portrait
Murcof
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