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Review: Tricky

 Knowle West Boy

(07.07.08 / Domino)

Tricky ist zurück! Die fünf Jahre, welche seit der Veröffentlichung von „Vulnerable“ vergangen sind, scheint der Bristoler vor allem damit verbracht zu haben, Leute kennenzulernen. Ganz in der Manier von Robert Rodriguez, der in seinen Filmen regelmässig diverse Verwandte und Bekannte auftreten lässt, haben unter anderem ein New-Yorker-Bettler, ein jamaicanischer Cousin, eine Ex-Freundin und „a Spanish girl who I don’t really know“ einen Auftritt auf dem neuen Tricky-Album. Durch die grosse Anzahl von Gästen gibt es kaum zwei Songs, welche von der selben Stimme getragen werden, was ein Grund dafür sein mag, dass sich die verschiedenen Songs doch sehr unterschiedlich klingen. Mit beinahe klassischem Neunzigerjahre-Trip-Hop, Dancehallnummern und sehr poppigen Tracks bietet das Album eine recht grosse Stilvielfalt. Zusammengehalten werden die Songs vom Adrian Thaws, welcher mit seinen Produktionsskills und seinem Sprechgesang dafür sorgt, dass die für seine Musik typische Dunkelheit allgegenwärtig ist. Unterstützung erhielt er dabei vom Produzenten Switch, welcher auch schon M.I.A. und Santogold unter die Arme griff.

Die Dunkelheit ist diesmal auch thematisch gerechtfertigt, widmet sich das Album doch dem armen Bristoler Stadtteil Knowle West, in welchem Tricky aufwuchs. Aufgegriffen werden dabei auch persönliche Themen. So wird in „School Gate“ die wahre Geschichte der Schwangerschaft von Trickys damals gerade mal sechzehnjährigen Freundin erzählt. Aber auch mit religiösen Themen beschäftigt sich das Album. Nachdem sich Tricky bereits vor fünf Jahren mit dem XTC-Cover „Dear God“, welches unter anderem die Zeile „Did you make mankind after we made you?“ enthält, und „Wait for God" mit der christlichen Religion auseinandersetzte, lässt er nun in „Cross To Bear“ die zerbrechliche Stimme der Isländerin Hafdis für Jesus sprechen. Das Album zieht allgemein, wie auch schon frühere Werke Trickys, einen grossen Teil seiner Attraktivität aus dem Gegensatz von meist zerbrechlichen und weichen Frauenstimmen und ernster Themen unterstützt von düsterer Produktion.

Nachdem Trickys letzte Alben vielerorts als wenig inspiriert kritisiert wurden und sich jeweils dem unfairen Vergleich mit seinem Meisterwerk „Maxinquaye“ stellen musste, versteht es Tricky bei „Knowle West Boy“ geschickt langjährige Fans mit an seine ersten Alben erinnernde Nummern zu befriedigen, ergänzt diese aber mit Tracks, welche sich weit vom Sound der Neunziger entfernt haben. Vor allem der Song „Past Mistake“, welchen Tricky zusammen mit seiner Ex-Freundin Lubna geschrieben und eingespielt hat, erinnern an seine Zusammenarbeit mit Martina Topley-Bird. Ein schleppender, dumpfer Beat, ferne Melodien, welche sich auch in einem Horrorfilm aus den Siebzigerjahren gut gemacht hätten, Rauscheffekte und Lubnas zarte Stimme erzeugen eine unglaublich dichte und finstere Atmosphäre. Es empfiehlt sich allerdings, diesen Song erst nach dem Einbruch der Dunkelheit zu hören und in der Badeanstalt andere mp3s anzuspielen.

Wunderbar auch der erste Song namens „Puppy Toy“. Mit Pianoklänge und Blues-Anleihen wird eine dunkel Bar heraufbeschworen. Dabei übernimmt die auf Trickys Brown-Punk-Label beheimatete Alex Mills den weiblichen Part und darf, als wohl einzige weibliche Stimme des Albums, Stärke zeigen und auch mal ins Mikrophon schreien. Wer „Vulnerable“ mochte, wird wohl auch „Bacative“ mögen, die spanische Sängerin erinnert dabei doch sehr an Costanza Francavilla, Trickys Muse vor fünf Jahren. Auch die aggressive, rockige Single „Council Estate“ vermag zu gefallen.

Weniger gelungen ist allerdings das Kylie-Cover „Slow“. Nachdem Tricky vor dreizehn Jahren mit dem „Black Steel“ einen der besten Coversongs aller Zeiten eingespielt hat und auch „Vulnerable“ mit dem oben erwähnten „Dear God“ und der The-Cure-Nummer „Love Cats“ zwei gelungene Neuinterpretationen enthielt, ging Tricky meiner Meinung nach mit „Slow“ in eine falsche Richtung. Zwar ist Trickys Version sicher nicht schlecht und sie hat unbestritten auch eine grosse Eigenständigkeit, bietet sie doch eine verstörte und aggressive Variante des doch sehr sauberen Originals. Allerdings beraubt der Bristoler so den Song des eigentlichen Reizes. Gerade die Oberflächlichkeit und Unverbindlichkeit trug sehr viel zur Sexyness des unter anderem von Emiliana Torrini geschriebenen Songs bei. Die gefühlte Verlegung des Songs vom Strand in den Hinterhof empfinde ich als eine schlechte Entscheidung.

Trotz dieses Ausrutschers darf Trickys achtes Studioalbum als sehr gelungen bezeichnet werden. Tricky bleibt der für ihn typischen Düsternis treu, ohne aber auf der Stelle zu treten. Auf einen Vergleich mit dem neuen Album von Porishead, den anderen Trip-Hop-Pionieren, welche heuer ebenfalls zurückgekehrt sind, sei hier verzichtet, denn eigentlich lassen sich auch „Dummy“ und „Maxinquaye“ nur schlecht vergleichen.

(as)


Tracks:
  1. Puppy Toy
  2. Bacative
  3. Joseph
  4. Veronika
  5. C'mon Baby
  6. Council Estate
  7. Past Mistake
  8. Coalition
  9. Cross to Bare
  10. Slow
  11. Baligaga
  12. Far Away
  13. School Gates
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