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Review: Massive Attack

 Protection

(26.11.94 / Circa (EMI))  

Obwohl „Protection“ in der Top 10 der Coolest Albums of All Time List des Rolling Stones Magazines aufgelistet ist, obwohl „Radiation Ruling The Nation“, der Mad-Professor-Remix des Songs „Protection“, in einer Top 5 in der Nick-Hornby-Verfilmung „High Fidelity“ auftaucht und obwohl auf dem Album die letzte Zusammenarbeit mit Tricky zu hören ist, geht Massive Attacks Zweitling oft ein wenig zwischen dem frühen Noch-Nicht-Wirklich-Trip-Hop-Klassiker „Blue Lines“ und dem düsteren Meisterwerk „Mezzanine“ unter. So fehlt beispielsweise auf der deutschen Wikipedia ein Artikel zum Album und in der englischen Wikipedia muss es sich in der aktuellen Version gar als „coffee-table chill-out“ bezeichnen lassen.

Dieser Ausdruck, oder zumindest die Bezeichnung "Chill-Out", mag zwar ansatzweise auf gewisse Tracks wie die beiden rein instrumentalen, von Craig Armstrong komponierten Stücke „Heat Miser“ und „Wheater Storm“ zutreffen, und dass das Album eine gewisse luftige Leichtigkeit aufweist, ist unbestritten, das Attribut wird aber dem Album als Ganzes, welches sich nie auf eine Musikrichtung festlegen will, nicht annähernd gerecht. Die Vielfalt an zumindest berührten Genres ist sicher auch auf die vielen am Album beteiligten Personen zurückzuführen. Neben den bereits erwähnten Tricky und Craig Armstrong und den drei Kernmitgliedern 3D, Mushroom und Daddy G waren MA-Stammsänger und Reggea-Urgestein Horace Andy, die Sängerinnen Tracey Thorn und Nicolette, der Produzent Nellee Hooper und einige mehr in den Entstehungsprozess involviert.

Das Album startet mit der zweiten Single „Protection“, welche am besten mit dem dazugehörenden, schnittlosen Video von Michel Gondry genossen werden sollte. Der mit knapp 8 Minuten eigentlich kaum als Auskopplung geeignete Song erzeugt unter anderem mit Tracey Thorn von Everything But The Girl am Mikrophon, einem Sample von James Brown und einem sich unendlich über den Zeitstrahl erstrecken scheinenden Beat ein Gefühl der Hypnose und vollkommener Entspannung. Ebenfalls hypnotisch, aber mit gänzlich anderen Mitteln, wirkt das mit Sprechgesang von Tricky und 3D vorgetragene und einem Basssample von Gainsbourg unterlegte „Karmacoma“. Der Titel wurde später von Tricky, allerdings mit ergänzenden Vocals von Martina Topley-Bird und unter dem Namen „Overcome“, auf seinem Debüt „Maxinquaye“ veröffentlicht, so wie sich auch der Protection-Song „Eurochild“ unter dem Namen „Hell Is Round the Corner“ auf Trickys Erstling wiederfindet.

In „Three“, sinnigerweise der dritte Titel des Albums, ist erstmals Nicolette zu hören, die in einem feenhafter und luftiger Titel über ihre lucky number singt. Es ist allerdings gerechtfertigt, dass auf „Collected“, der Best-Of von Massive Attack aus dem Jahre 2006, der zweite Nicolette-Titel, „Sly“, zu finden ist: Mit einem gelungenen Geigenarrangement von Armstrong nehmen uns die Briten auf eine wundersame Reise mit: „It's hard to decide what is real these days / When things look so dizzy to me“. Seinen Namen verdiente sich der Track allerdings wohl nicht, weil er sonderlich durchtrieben wäre, sondern weil er ein Sample der US-Soul-Band Sly & The Family Stone verwendet. Auch hier wird man ein Jahr später auf Trickys Debüt eine Parallele entdecken können: den Song „Pumpkin“, benannt nach einem Smashing-Pumpkins-Sample.

Etwas dunkler, mit einigen dubbigen Halleffekten und der unverwechselbaren Stimme von Horace Andy präsentiert sich das unter anderem im Reggae verwurzelte „Spying Glass“, welches auch im Film „187“ mit Samuel L. Jackson verwendet wurde. In „Better Things“ klagt Thorn an: „You want freedom without love / And magic without love“. Auch hier wird ein Sample von James Brown verwendet, wobei das Original auf „Protected“ zu finden ist. „Eurochild“ wiederum präsentiert Tricky in einem der dunkelsten Titel des Albums, was nachträglich, obwohl noch ohne Gitarren, wie ein Ausblick auf „Mezzanine“ wirkt.

Bei all der Liebe zu den begabten Sängerinnen und Rapper ist der eigentliche Höhepunkt des Albums das instrumentale „Heat Miser“. Mit einem schweren Atmen à la Darth Vader und einer bedrohlichen Pianaomelodie im Stile von „Halloween“ startend, strebt das Zusammenspiel aus Klavier und Perkussion in ungeahnte Höhen. Beendet wird das Album mit einem eher belanglosen und unpassenden Doors-Cover.

Dem Namen entsprechend fällt „Protection“ deutlich weniger düster als die später erscheinenden „Mezzanine“ oder „100th Window“ aus. Dank vielen wunderbaren, mittlerweile zu Klassikern avancierten Songs gehört es aber zweifelsohne in jede gutsortierte Plattensammlung – zusammen mit dem Dub-Remix-Album „No Protection“ vom Mad Professor. Zudem kann das Album wegen den wiederverwendeten Songteilen bereits als kleine Vorschau auf die ein Jahr später eindrücklich startende Solokarriere von Tricky betrachtet werden. Und auch Craig Armstrongs Debüt, welches allerdings erst 1998 erschien, wird bereits angedeutet, ist darauf doch ein Rework von „Weather Storm“ zu finden.

(as)


Tracks:
  1. Protection
  2. Karmacoma
  3. Three
  4. Weather Storm
  5. Spying Glass
  6. Better Things
  7. Euro Child
  8. Sly
  9. Heat Miser
  10. Light My Fire (Live)
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Kommentar von frigg am 04.05.2003
heat miser find i eina vo da geilschta MA-Tracks ... und sowiso zäma mit Mezzanine dia geilscht MA-CD

frigg's Bewertung von Protection: keine



portrait
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